Menschen . Verkehr . Umwelt . Planung

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Tempolimit auf der Autobahn – ein Stimmungsbild

Ein pinker Fleck auf der Weltkarte, das ist Deutschland, wenn man sich die jeweiligen Tempolimits der einzelnen Länder darstellen lässt. Pinker Fleck, weil Deutschland das einzige Land weltweit ist, in dem es kein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen gibt.
 
Die Erklärungen hierfür sind sehr unterschiedlich, je nachdem, wen man fragt. Die Automobilwirtschaft ist generell stark daran interessiert, kein Tempolimit einzuführen, um die gerade im höheren Preissegment in Deutschland angebotenen Fahrzeuge mit viel Leistung absetzen zu können. Die Möglichkeit, diese leistungsstarken Fahrzeuge auch entsprechend schnell fahren zu können, wird als Standortvorteil angesehen. Nur wenige Länder haben eine so ausgeprägte Automobilindustrie wie Deutschland, was als Grund dafür angesehen werden kann, dass es in anderen Ländern weitaus weniger wirtschaftliches Interesse an einem unbegrenzten Tempolimit gibt.


Mutlosigkeit, Lobby-Hörigkeit und regelmäßig wahlpolitisches Kalkül wird der Politik immer wieder vorgehalten, wenn es darum geht, dieses Thema anzugehen.


Sind wir in Deutschland schlauer als alle anderen oder eher das Gegenteil? Wenn man sich die Zahlen der Unfalltoten ansieht, die auf Autobahnen verunglücken, so sind diese gering im Vergleich zu den wesentlich höheren Zahlen derer, die auf Landstraßen in einen tödlichen Unfall verwickelt sind.


So ereigneten sich laut Statistischem Bundesamt in 2020 2.719 tödliche Verkehrsunfälle auf deutschen Straßen, von denen knapp 59 % auf Landstraßen, 30 % in Ortschaften und 12 % auf Autobahnen passierten.


Ein Tempolimit ausschließlich auf Autobahnen würde somit an der Gesamtanzahl der tödlichen Unfälle einen eher überschaubaren Effekt erzeugen. Auch in den Ländern, aus denen statistische Werte vorliegen, konnte festgestellt werden, dass mit der Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen die unfallbedingten Todeszahlen nicht signifikant zurückgingen.


Aufgrund der Harmonisierung des Verkehrsflusses und der damit wesentlich geringeren Geschwindigkeitsunterschiede zwischen den einzelnen Fahrzeugen auf der Autobahn könnte mit einem Tempolimit aber die generelle Anzahl der Unfälle spürbar reduziert werden. Dazu kommen weitere flankierende Maßnahmen, die die Sicherheit erhöhen können sowie die Schwere von Unfällen reduzieren. Dazu gehören „intelligente“ Leitplanken, Standstreifen, frühzeitige Information an die Fahrzeugführer über Behinderungen auf der Strecke, ausgereiftes Baustellenmanagement mit entsprechendem technischem Equipment usw.


Doch darüber hinaus ist auch das Thema Umweltschutz ein immer lauter werdendes Argument der Tempolimit – Befürworter. Der höhere Spritverbrauch, die größeren Feinstaub- und Lärmemissionen und auch der Flächenverbrauch für vielspurige Fahrbahnen, um die Sicherheit und Leistungsfähigkeit bei den gegebenen Geschwindigkeitsunterschieden auf der Strecke zu gewährleisten, werden immer kritischer gesehen.


Eine Statistik des ADAC (eher als Verhinderer eines Tempolimits bekannt) zeigt, dass sich die Akzeptanz einer solchen Geschwindigkeitsbegrenzung auch unter seinen Mitgliedern im Laufe der letzten Jahre verändert hat. Waren noch 2014 65 % gegen ein generelles Tempolimit, so sind es heute ca. 45 %. Eine Tendenz, die sich auch in weiteren Umfragen widerspiegelt.


So hat der SWR am 18.11.2020 in seiner Sendung „mal ehrlich“ Daten einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap präsentiert, wonach im November 2020 59 % der Gesamtheit der wahlberechtigten Bürger in Deutschland für die Einführung eines Tempolimits von 130 km/h auf deutschen Autobahnen gestimmt haben.


Als Fazit lässt sich feststellen, dass ein Tempolimit auf Autobahnen in Deutschland über die nüchterne Analyse der Unfalltoten hinaus betrachtet werden sollte. Die Sicherung von unfallträchtigen Landstraßen, der Schutz von schwächeren Verkehrsteilnehmern im innerstädtischen Bereich, der Ausbau von Radverkehrsnetzen zur generellen Reduktion des MIV usw. Die Frage muss erlaubt sein, ob es noch zeitgemäß ist, in der jetzigen Klimasituation aus rein wirtschaftlichem Streben Angebote für umweltschädliches und lebensgefährdendes Rasen aufrechtzuerhalten? Entscheiden Sie selbst.

 

Quelle des Textes: Eigene

Quelle des Bildes: Amateria1121 - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0